Hallo Hannah, stell dich doch kurz vor
Ich bin Allgemeinärztin, zur Zeit angestellt in einer großen Praxis in München und habe zwei Töchter (4 und 7 Jahre alt). Außerdem kandidiere ich für die Grünen bei der Kommunalwahl für den Münchner Stadtrat.
Wie bist du auf die Idee gekommen in die Politik zu gehen?
Eigentlich war ich ziemlich unpolitisch – wenn, dann hätte ich mir Standespolitik vorstellen können. Dann kam so langsam eins zum anderen. Begonnen hat es mit Pegida und dem Aufstieg der AfD, damit, dass plötzlich Dinge wieder sagbar wurden, die man jahrzehntelang in Deutschland nicht gehört hat. Und dann kam der Bundestagswahlkampf 2017 und der Landtagswahlkampf in Bayern 2018, wo die AfD es wirklich geschafft hat, die Diskussion in einer Weise zu bestimmen, wie ich das nicht für möglich gehalten hatte. Und ich hatte das Gefühl, dass die Grünen die einzige Partei sind, die dieses Spielchen nicht mitmachen. Die ohne wenn und aber weiter an einer offenen Gesellschaft und am Zusammenhalt festgehalten haben. Dann bin ich vor ungefähr einem Jahr Parteimitglied geworden.
Wunderst du dich manchmal, wie anders Politik im Vergleich zum Ärzteberuf ist oder hast du Gemeinsamkeiten entdeckt?
Ich war als Studentin in der Fachschaft und bei „Mit Sicherheit verliebt“, ich war bvmd-Präsidentin, studentische Vertreterin im Fachbereichsrat und bin auch international studentenpolitisch unterwegs gewesen. Da wundere ich mich nicht mehr über viel. Und tatsächlich finde ich, es ist in vielerlei Hinsicht ziemlich ähnlich – man will sich für die Menschen einsetzen und ihr Leben irgendwie verbessern.
Wieviel Prozent bist du Politikerin, Mama und Ärztin bzw. wie teilst du deine Tage ein?
Mama bin ich zu 100 %, Politikerin und Ärztin zur Zeit so ungefähr 50:50 würde ich sagen. Jeder Tag ist zu schnell vorbei, ich komme schon manchmal ins Schleudern. Zur Zeit ist es natürlich besonders krass, so mitten in der heißen Wahlkampfphase. Wenn ich im März dann weiß, ob es geklappt hat mit dem Stadtrat, dann kann ich mich hoffentlich wieder ein bisschen besser einpendeln. Momentan wären so 3-4 Stunden mehr jeden Tag schon hilfreich.
Hast du Unterstützung im Alltag? Während des Wahlkampfes musst du sicher auf viele Veranstaltungen, oder?
Mein Mann hat mich für meine Kandidatur voll motiviert und unterstützt mich sehr. Er versucht, meistens früher nach Hause zu kommen und übernimmt meine Abendtermine – das sind zur Zeit schon so 2-3 pro Woche. Tagsüber sind die Kinder in der Schule bzw. Kindergarten und bei Wochenendterminen nehme ich sie meistens mit – zum Glück gehört Kinderbetreuung bei den Grünen meistens dazu. Wenn die Kinder krank werden, wird es schwierig, da geht es mir vermutlich nicht anders als den meisten anderen MomDocs hier.
Glaubst du dass du so richtig was verändern kannst als Politikerin? Oder mit welchem Ziel engagierst du dich politisch?
Für meine Stadtratskandidatur habe ich eigentlich zwei wichtige Motivationen: zum einen nervt es mich ungemein, dass die Gesundheitspolitik in diesem Land (auf allen Ebenen) ziemlich offensichtlich von Menschen gemacht wird, die keine Ahnung von Gesundheit haben. Und auch, wenn viel auf Bundes- oder Landesebene entschieden wird, ist die kommunale Ebene doch keineswegs leer, was Gesundheitspolitik angeht: Ernährung und Bewegung im Kindes- und Jugendalter, Armut/Wohnungslosigkeit und die gesundheitlichen Folgen, in München die städtischen Kliniken… da gibt es viel zu tun. Und zum anderen habe ich zur Zeit ernsthafte Bedenken, ob wir klimatechnisch das Ruder noch herumreißen können oder ob wir diesen Planeten vollends vor die Wand fahren. Und da möchte ich in 20 Jahren, wenn meine Kinder mich fragen, was ich eigentlich getan habe, als es um ihre Zukunft ging, nicht sagen, ich hätte nur meinen Müll getrennt.
Wo siehst du dich in 5 bis 10 Jahren? Möchtest du politisch richtig „Karriere“ machen?
Wenn mich das Leben eins gelehrt hat, dann, dass es ziemlich nutzlos ist, Pläne zu machen. Es passiert, was eben passiert. Ich bin eigentlich mit Leib und Seele Hausärztin und kann mir nicht vorstellen, meinen Beruf komplett an den Nagel zu hängen. Ich kann mir – zumindest solange ich relativ kleine Kinder habe – zum Beispiel ein Bundestagsmandat nicht vorstellen. Andererseits habe ich vor einem Jahr auch noch nicht mal im Traum daran gedacht, dass ich heute für den Stadtrat kandidieren könnte.
Seit unserem Interview ist Hannah nicht nur Münchner Stadträtin sondern inzwischen auch stolze dreifach Mami! Außerdem ist sie nach wie vor eine engagierte MumDoc in unserem Netzwerk auf deren Rat man immer zählen kann. Danke dafür!