Schwerpunkt Niederlassung – Hausarztpraxis mit dem Ehemann

Hallo Simone, danke, dass du dir Zeit nimmst für das Interview heute. Erzähl doch mal was über dich.

Ja gerne! Ich bin Simone, 35 Jahre und wir haben drei Kinder, die inzwischen 9,6 und 3 Jahre alt sind.Ich habe im Januar 2020 die  Facharztprüfung für Allgemeinmedizin gemacht und im April dann gemeinsam mit meinem Mann eine eigene Praxis übernommen.

Wann und warum habt ihr euch entschlossen als Ehepaar gemeinsam eine Praxis aufzumachen?

Das ist gar nicht so einfach zu beantworten….vielleicht ein bis eineinhalb Jahre vor meiner Prüfung. Mein Mann hatte schon immer den Traum eine eigene Hausarztpraxis zu haben. Ich selber war anfangs gar nicht so sicher welchen Facharzt ich machen werde. Aber durch meinen Mann habe ich auch ein paar Weiterbildungsseminare für Allgemeinmediziner in Bayern besucht und andere Leute kennen gelernt, die auf dem Weg zur eigenen Praxis waren. So hab ich dann den Eindruck gewonnen, dass es sich gut mit dem Leben als Familie vereinbaren lässt und die meisten der Kollegen, die schon etwas weiter waren, haben mir das auch bestätigt. Und es ist tatsächlich besser als eine Anstellung in der Klinik mit Diensten und allem. Für mich hat es sich dann einfach realisitischer angefühlt als Familie diesen Weg zu gehen.

Ihr habt drei gemeinsame Kinder und die gemeinsame Praxis – wie sieht euer Alltag aus?

Ich denke jeder kann nachvollziehen, dass seit Praxisübernahme und auch noch während der Pandemie unser Alltag vermutlich wie in vielen Familien manchmal sehr chaotisch ist. Klar, die Kinder wollen versorgt werden und unser Anspruch ist es auch Zeit mit ihnen zu verbringen. Die beiden jüngeren waren 2020 noch im Kindergarten da ging es um 7:30 los und in der Regel zwischen 15:00 und 16:30 wieder abgeholt. Die Große hatte Schule und Hort mit Hausaufgabenbetreuung und kam auch zu ähnlichen Zeiten nach Hause dann. Erleichternd war dann tatsächlich, dass alle Zusatzaktivitäten in dem Jahr weggefallen sind, also kein Sport, Verein, Musikinstrument, sodass wir einfach weniger Fahrzeiten hatten.

Wenn das wieder losgeht und man mehr Termine hat, muss man sich einfach aufteilen. Die Nachmittage haben wir jetzt so gestaltet, dass wir nur an zwei Tagen die Woche eine Nachmittagssprechstunde anbieten und auch nur einer von uns da ist. Vormittags sind wir zu zweit in der Praxis und es geht meist doch bis 14:30, manchmal auch länger. Und natürlich ist auch außerhalb der Sprechzeiten mal am Wochenende was zu tun.

Wer nicht in der Praxis ist, der kümmert sich um die Kinder. Also ab 15:00 ist eigentlich immer einer von uns daheim. Der andere erledigt noch Dinge in der Praxis, Formulare, Rezepte, Bürokram…es gibt immer was zu tun.

Habt ihr Hilfe bei Kinderbetreuung und Haushalt?

Wir haben versucht eine Hilfe für den Haushalt zu finden, sodass die groben Arbeiten erledigt sind. Während Corona war das natürlich nicht immer so einfach. Aber inzwischen läuft das ganz gut und regelmäßig. Es tut auch gut, dass wir uns da Unterstützung zweimal die Woche „gönnen“ um besser über die Runden zu kommen und einfach die Zeit auch für die Familie und andere Dinge zu haben.

Was sind für euch die Vor- und Nachteile mit dem Partner eine Praxis zu führen?

Vorteile sind sicher, dass es sehr viele Synergien gibt und wir uns auch gut aufteilen können und flexibel sind. Wer macht wann was, wer ist bei den Kindern. Gleichzeitg ist es auch so, dass die Praxis im Privaten sehr präsent ist. Wir reden natürlich viel über alles und müssen auch vieles besprechen, klar, aber dadurch ist weniger Raum für andere Themen.

Das wird allerdings auch besser und leichter, je länger wir die Praxis haben, je besser und routinierter alles läuft. Aber natürlich gibt es immer Dinge zu besprechen und zu überlegen und zu diskutieren die wir halt mit nach Hause nehmen. Wir sind auch nicht immer einer Meinung bei allem und Unstimmigkeiten muss man dann auch aushalten können. Das ist uns bisher immer gut gelungen aber es ist auf jeden Fall eine Herausforderung.

Ihr habt die Praxis übernommen von zwei Geschwistern. Was sollte man bedenken wenn man innerhalb der Familie eine Praxis zusammen führen möchte?

Ich glaube, dass es nicht soviele Unterschiede gibt ob man die Praxis in der Familie führt oder mit jemand anderem. Was sicher wichtig ist, dass man sich vorher im Klaren ist, wie man sich aufteilt, wer wieviel arbeitet, wem welcher Verdienst zugeteilt ist. Bei uns ist das einfach, wir machen 50/50, weil natürlich, wenn einer mehr in der Praxis ist, dann macht der andere mehr zu Hause, sodass sich das ausgleicht. Aber das Thema würde ich auf jeden Fall vor einer Übernahme sehr genau auch schriftlich festhalten und alle Beteiligten müssen damit einverstanden sein.

Als Familie sollte man noch bedenken, dass es natürlich schwierig ist, sich zu vertreten, man will ja auch mal gemeinsam Urlaub haben. Entweder man arbeitet mit einer anderen Praxis zusammen oder man hat eine andere Lösung. Es ist ja keine Option, dass man immer nur getrennt frei machen kann.

Was war nach der Übernahme das aufwändigste oder nervenaufreibendste? Was habt ihr unterschätzt rückblickend?

In diesem speziellen Jahr waren natürlich alle Maßnahmen und Neuigkeiten rund um Corona absolut vorherrschend in unserem Praxisalltag. Unsere Übernahme fiel quasi genau in den 1. Lockdown. Das war schon eine besondere Zeit. Es kamen auch viel viel weniger Patienten, was uns auch Nerven gekostet und Sorgen gemacht hat, weil wir schlichtweg nicht mehr sicher waren ob unser finanzielles Konzept aufgeht.

Das zweite große Thema ist alles mit Mitarbeitern und deren Übernahme gewesen. Das ist natürlich extrem wichtig und unser Vorgänger hat das auch alles toll in die Wege geleitet. Trotzdem gab es viele Gespräche und es ist auch eine MFA wieder gegangen die relativ neu war und sowas merkt man dann sofort, wenn jemand wegfällt und die Arbeit liegen bleibt und sich auch die Dynamik im Team verändert.

Rückblickend unterschätzt haben wir vielleicht, dass soviel „außenrum“ ist. Außerhalb der Sprechstunde. An der Software ist ständig was zu tun. Wir hatten riesen Probleme mit der Telefonanlage, die wir neu machen mussten, die dann teilweise tagelang ausgefallen ist. Man muss sich ständig um irgendwas kümmern. Das kostet wahnsinnig viel Zeit.

Eine sehr volle Sprechstunde mit vielen verschiedenen Patienten, das ist zwar das was man am liebsten macht, aber das kann auch sehr fordernd sein. Man will und muss ja auch immer empathisch dabei bleiben. Für die Patienten ist es der erste Kontakt für uns an dem Tag dann schon der fünfzigste und trotzdem muss man eine Ebene finden, das Problem ernst nehmen, die eigene Erschöpfung nicht in den Vordergrund stellen.

Was ist euer „Geheimtipp“ für alle, die vor einer Praxisgründung stehen?

Was uns sicher sehr geholfen hat, dass wir schon als Mitarbeiter in der Praxis unseres Vorgängers waren. Er hat uns immer mit eingebunden, wir haben gemeinsam schon Veränderungen in die Wege geleitet und er hatte trotzdem die Verantwortung noch und wir konnten in die Sache reinwachsen. Gerade auch in das „drumherum“. Er hat uns auch Fallstricke und Besonderheiten gezeigt. Das war denk ich sehr gut und das würde ich auch empfehlen, dass es eine Übergangszeit mit dem Vorgänger gibt. Das empfinde ich als wahnsinnig wertvoll. Aber klar, das ist nicht in jeder Situation machbar und es braucht natürlich auch eine gegenseitige Wertschätzung damit sowas gehen kann.

Simone war vor Jahren meine Arbeitskollegin – wir haben uns schon länger nicht mehr gesehen und ich habe mich daher um so mehr gefreut, dass sie für dieses Interview zur Verfügung stand. Wenn ihr fragen an sie habt, dann dürft ihr sie gerne über den eMail Button kontaktieren. Oder schaut auf ihre Homepage https://www.hausaerzte-neuburg.de/

P.s.: Die Bilder aus dem Interview stammen aus der Stadt in der Simones Praxis liegt.

Katrin
Katrin MumDocs Gründerin
Simone
SimoneMumDoc & Praxisinhaberin