Gastbeitrag von MumDoc Anna

In der Kategorie „Wir müssen reden“ werden sich ab sofort in unregelmäßigen Abständen MumDocs zu Wort melden, die sich ihren Coronafrust von der Seele schreiben wollen, von Missständnen berichten wollen, sich ausheulen müssen und einfach ihre Berichte aus vorderster Front einem breiteren Publikum zugänglich machen wollen.

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Danke an MumDoc Anna, dass sie den Anfang macht.

Ich habe die Nase voll. Ich bin mit Leib und Seele Ärztin, ich habe vor über einem Jahr einen Kassensitz in einer Stadt übernommen, in der die meisten Hausärzte keine Nachfolger finden. Ich habe in Kauf genommen, Geld aufzunehmen, weil aufgrund der veralteten Strukturen einer KV trotz des eklatanten Hausärztemangels offensichtlich selbstverständlich ist, dass man das erste Jahr auf Pump verbringt. Ich habe mich während des Lockdowns täglich ungeimpft exponiert, während mein Mann alleine Home-Office und Kinderbetreuung gewuppt hat.
Wir haben begonnen zu impfen, als der Impfstoff noch knapp war und wir täglich sortieren durften, wer schon geimpft wird und wer nicht. Wir impfen weiter, sofern der Impfstoff nicht plötzlich wieder rationiert wird. Als Hausärzte sind wir gefühlt die Einzigen, die eine niedrig schwellige Anlaufstelle für Impfhaderer bieten, bei der sie offen über ihre Sorgen sprechen und vom Impfen überzeugt werden können. Währenddessen Unmengen Bürokratie, Telefonate, Infektionssprechstunden, Diskussionen mit infizierten Patienten wegen Quarantäne, da die Gesundheitsämter nicht mehr schlagfähig sind. Hinzu kommen jetzt viele Patienten, die seelisch Schaden genommen haben an der Pandemie und akute psychische Hilfe und Unterstützung brauchen.
Falls ich mal ein Wochenende freihabe, schäme ich nicht dafür, Zeit zu haben, mein Kind mal zu sehen.
Einen Golfschläger habe ich noch nie in den Fingern gehabt.
Wir Hausärzte tragen von Anfang an die Last der ambulanten Versorgung während der Pandemie- in jeglicher Dimension. Das Vertrauensverhältnis der Patienten zu uns wird ständig ins Wanken gebracht, sei es durch markige Sprüche wie von Herrn Laumann oder nun wie durch spontane Impfstoffrationalisierung wie von Herrn Spahn.
Ich liebe meinen Beruf über alles, daran ändert auch eine Pandemie nichts- aber die fehlende Wertschätzung hinterlässt einen sehr bitteren Beigeschmack