Anonymer Bericht aus dem Dienst

Im Folgenden lest ihr aus der Rubrik „Wir müssen reden“ einen anonymen Beitrag aus einem Nachtdienst einer MumDoc. Wir haben über den Beitrag auch innerhalb der Gruppe schon gesprochen – und ich war erschüttert wieviel „du bist nicht allein“ und „bei uns das Gleiche“ oder „mir gehts genau so“ von allen Seiten zu hören war.

Kann das wahr sein? Ist das die medizinische Versorgung unserer Kinder 2021 in einem so fortschrittlichen, technischen, entwickelten, reichen Land wie Deutschland?

Zum heulen, schreien und wütend werden oder?

Ich kenne die winterliche Situation seit 7 Jahren und hatte schon gehört, was aktuell los ist, aber dass es so schlimm werden würde, habe selbst ich (als eher pessimistisch veranlagte Person) mir nicht ausmalen können.
Bei Dienstbeginn ist die Aufnahme leer, zum Glück hatte die Bereitschaftspraxis nebenan noch offen. Im gesamten Haus gibt es ein einziges (!) Bett. Alle Kinderkliniken der Stadt sind bereits abgemeldet. Kurz eine Aufnahme aus dem Kreißsaal, ein junger Kollege bleibt in der Notaufnahme, knapp 40 Minuten später komme ich zurück. ca. 15 Patienten warten jetzt, der Kollege schwimmt. Ich fange an abzuarbeiten. Schnell wird klar, das wird schwierig. Quasi jedes Kind hat Sauerstoffbedarf. Die Eltern warten Stunden über Stunden, die Kinder sind zum Teil schwer krank, wo man sie unterbringen soll, ist vollkommen unklar.
Jedes Kind muss abgestrichen werden, das ist teuer, daher muss es, um noch mehr Bürokratie zu erzeugen, für jeden einzelnen Patienten aufwändig beantragt werden (von Schwestern und Ärzten separat!) und das Ergebnis dauert 2 -3 Stunden. Davor Zimmervergabe oder Verlegung nicht
möglich.

Die Notaufnahme wird immer voller, keiner kann gehen, weil ja O2 Bedarf, alle Zimmer belegt, man
fängt an, Kinder auf dem Gang anzuschauen. Manche schickt man mit riesigen Bauchschmerzen heim, weil es
gerade noch vertretbar ist, für andere, die bestimmt nix schlimmes haben, nimmt man
sich max. 2 Minuten. Otoskop geht in vier der Zimmer nicht, aber in Ohren schauen ist eh überbewertet.

Dazwischen kommen drei RTWs mit Zwangsbelegung.

Inzwischen plane ich (ca. 30 min Telefonieren mit allen Kinderkliniken ob nicht IRGENDWO noch ein Platz für
einen Säugling mit RSV ist) die Verlegung zweier Kinder in eine 60 km entfernte Kleinstadt, die hätte noch Platz. Rufe beim Rettungsdienst an, aber die sagen, sie können erst um 7 Uhr morgens, da bis dahin alle Wagen besetzt sind. Also schlafen die Kinder halt auf der Trage in der Notaufnahme, und zwar die ganze Nacht.

Dann wieder Zwangsbelegung. Hubschrauber kommt, also weiter Weg zum Landeplatz, wollteneigentlich weiter weg fliegen, ging aber nicht, weil Nebel. Also noch ein Kind, das in der ZNA schläft. Alle schlecht gelaunt, die Eltern ja sowieso, vollkommen zurecht. 16 h Dienst, 15 Minuten Augen zu, 500 ml Wasser, 1 x Klopause.

Es ist fürchterlich. Man kann nix ändern. Man schämt sich vor den Eltern. Bin erschöpft.
Bald nächster Dienst und jetzt schon Angst.

Ihr wollt der anonymen MumDoc Mut zusprechen? Euch austauschen? Feedback zum Artikel geben? Schreibt eine Mail an Katrin@mumdocs.de ich leite eure Nachrichten weiter.